„Früher war alles besser“
Sentimentale Anwandlungen wie diese gehören sicher zu den größten Supportern von Filmen wie „Ghostbusters II“. Der Streifen erfreut sich heute einer ungeheuren Beliebtheit – Wo es beim Original von 1984 der meisterhafte Schliff war, der zum Klassiker-Status verhalf und diesen immer noch weiter verfestigt, bezieht die früher noch öfter gebashte Fortsetzung heute, vor allem bei Fans, ihre steigende Popularität mehr aus nostalgischen Sehnsüchten – und das kam so:
Teil 1, ohne bekanntes Franchise im Rücken, ohne Trickserie, ohne Action-Figuren, war nie ein Kinderfilm. Es wird geraucht, geflucht, es gibt sexuelle Eindeutigkeiten. Dass der eigentlich für ein Publikum ab Jugendalter aufwärts komponierte Film dann zum Kiddie-Fest wurde, hat er der zwei Jahre später entstandenen Cartoonserie sowie seiner TV-Ausstrahlung 1986 auf ABC zu verdanken. Doch das Publikum, das „Ghostbusters – Die Geisterjäger“ 1984 (bzw. bei uns 1985) im Kino sah, bestand aus Jugendlichen und Erwachsenen. Leute, die mittlerweile Ende 40, Mitte 50 sind. Das Fandom heute wird dagegen dominiert von Mitte, Ende 30jährigen. Jene, die damals zu jung für Teil 1 im Kino waren, und für die der Film damals gar nicht gedacht war.
So war es auch das Kinopublikum des ersten Teils, das den zweiten Film über Jahre hinweg mit negativen Kritiken abstrafte: Die Leute, die 1984 einfach eine ungeheuer gute Zeit im Kino hatten, die dies dann auch zum Maßstab nahmen und die heute weiter gewandert sind. Wir Fans dagegen kannten Teil 1 oft nur von der VHS-Kassette. Unsere Kindheit war geprägt von „The Real Ghostbusters“, Freitags auf Sat. 1. „Ghostbusters II“ stellte für uns, inmitten dieser Zeit, die erste Begegnung mit den Geisterjägern auf einer Kinoleinwand dar; an sich schon festlicher als die Videokassette. Plus, als Kind ist man gar nicht so anspruchsvoll, wohl aber prägbar. So assoziieren wir Mitt-Dreißiger den Film heute – bewusst oder unbewusst – vor allem mit einem Zeitgefühl, mit einem Erlebnis. Und: Wir machen heute Meinung. So verloren sich über die Jahre, langsam, all die negativen Kritiken zu Film 2 und wurden ersetzt durch unsere sentimental geprägte Kindheitserinnerung. „Ghostbusters II“ wurde späte Anerkennung gegönnt, doch hat das nichts mit dem Film zu tun – Der ist, so objektiv ein Urteil halt ausfallen kann, tatsächlich um Längen schlechter als sein Vorgänger. Doch warum?
Teil 1 war innovativ und kreativ. Unbefangen, großartig. Seine Macher, Regisseur Reitman, Murray, die Autoren und Geisterjäger Ramis und Aykroyd, waren auf dem Zenit ihres Könnens, dazu kam der magische Faktor X. Ein Film entstand, der so gut war und auf so vielen Ebenen funktionierte, dass das Werk an sich größer wurde als seine Macher. Zur Verdeutlichung: In 25 Jahren intensiven Studiums sämtlicher Interviews der Beteiligten ist mir noch nie eines unter die Augen gekommen, in dem ein allumfassendes, eigenes Verständnis für das, was den Film tatsächlich so sehr funktionieren lässt, zur Geltung kam. Am ehesten schien noch Ramis das eigene Werk zu begreifen, doch Aykroyd bezog sich, auf die Stärken der Filme angesprochen, immer nur auf Techno- und Spiritismus-Blabla.
Dieser Faktor X, den man sicher durchaus im Rahmen von zahlreichen eigenen Artikeln und mehr Platz als hier vorhanden, auskleiden könnte, ließ sich nicht einfach re-kreieren. Noch am ehesten hätte man es ohne den unbedingten Willen, auf Nummer sicher zu gehen, hinbekommen können. Entstand Teil 1 frei, konnte atmen, neu, unbefangen begeistern… So kopierte man für Teil 2 ohne jeglichen Anflug irgendwelcher Neuerungen einfach alles. Die Handlung (Helden am Boden, erster Auftrag, Montage, sich zuspitzende Bedrohung / Nerd wird besessen / Dana wird bedroht, Musik- und Geistereinlage, Riese in Manhattan, Sieg) schreibt bis ins kleinste Detail vom Vorgänger ab, übernimmt gar ganze Witze („Ich verleihe Ihnen einen Gutschein“). Statt neu gibt es hier mehr: Ecto-1A zum Beispiel. War das Auftauchen von Ecto-1 im Vorgänger noch einer der kuriosen Momente (das macht man sich gar nicht mehr bewusst, wenn man den Film x-mal gesehen hat und das Auto als gegebenes Popkultur-Icon wahrnimmt) – Die Stärke war nie, dass es cool, sondern dass es absurd und lächerlich aussah, aber auch da braucht es zur Einordnung den erwachseneren Blick beim Erstkontakt. Wie viel Techno-Schrottplatz auf dem Dach verbaut ist, spielt gar keine Rolle, nur dass. Oder: Jemandem eine Sahnetorte ins Gesicht zu werfen ist genauso witzig wie jemandem eine Erdbeer-Sahnetorte ins Gesicht zu werfen.
Größter Downfall war die Portraitierung der Welt an sich. Eine der besonderen Stärken des ersten Teils war die völlig realistische Zeichnung der Charaktere, des menschlichen Miteinanders, auch der Horror wurde ernst gearbeitet. Wenn Dana, eine absolut nachvollziehbare No-nonsens-Figur auf dem Sessel hin zum Dämon gezogen wird, ist das Drama. Genau das macht aber auch die besten Kömödien aus: Sie würden auch funktionieren, wenn man all den Humor herausnähme. Dieser ergibt sich 1984 schlicht daraus, dass real gezeichnete Menschen ernsthaft gezeichnete Bedrohungen witzig kommentieren. Dadurch gewinnt der Horror an Bedrohung, die Figuren an Glaubwürdigkeit, der Film an Substanz. Dies ist eine Stärke, die bei der Fortsetzung (und teils, aber im anderen Umfeld nicht so gravierend, auch bei Paul Feigs Neuverfilmung) völlig außer Acht geblieben ist. In „Ghostbusters II“ ist nun jede Nebenfigur (außer Sigourney Weavers Dana) eine Karikatur, eine Cartoon-Figur. Bestes Beispiel ist direkt der Auftakt, als Dana ihren Kinderwagen über die Straße schiebt und all diese Zirkusclowns mit großem Overacting an ihr vorbeilaufen. Dies bleibt Programm: Janosz, der Richter… Auch Schuft Hardemeyer fällt im Vergleich zu William Athertons Peck tief. Sicher hat die Trickserie „The Real Ghostbusters“ zuvor schon ein neues, flapsigeres Bild der Geisterjäger-Welt geprägt; eines voller Karikatur und Überzeichnung. Sicher gilt diese Serie gemeinsam mit den Filmen dennoch als Grundpfeiler, doch konnte dort eine unglaubliche Kreativität beim Erschaffen neuer Geschichten die Zugeständnisse an das Kinderpublikum ausgleichen, wohingegen „Ghostbusters II“ einfach „Ghostbusters I“ ohne jegliche Rafinesse blieb.
Dies war nicht immer so. Frühe Ideen für den Film hätten ein durchaus kreativeres Werk versprochen. Zunächst dachte Dan Aykroyd an eine Geschichte, in der unterirdische Wesen Dana über ein Kilometer langes Kanalsystem entführt hätten. „Im ersten Film ging es am Ende nach oben, also sollte es diesmal unter die Erde gehen“, so Aykroyd. Mit Harold Ramis an Bord wurde die Idee zwar wieder zurückgedreht, doch unter der Erde blieb man mit dem Schleimfluss. Dabei sollte auch das zunächst nicht so gewichtig sein. „Das Motiv mit dem Schleim kam später, kurzfristig hinzu“, erinnerte sich Ramis. „Im Rathaus sagt der Bürgermeister: ‚Soll ich alle Menschen bitten, nett zueinander zu sein?‘ Genau das war meine Idee. Ich wollte, dass die Menschen anständig miteinander umgehen müssen, weil die Stadt sonst buchstäblich in die Luft gesprengt worden wäre.“ Die Freiheitsstatue kam in dieser Version auch schon vor – Allerdings als von Vigo besetztes Gußeisen-Ungeheuer, das die Geisterjäger in der Wall Street(!) zerstören müssen. Ein ironisches Konzept, das toll gepasst hätte, sicherlich pfiffiger als das patriotisch-zuckersüße Kitschfinale, zu dem es wurde. Aber in der freudigen Aufbruchzeit nach der Reagan-Ära den Amerikanern wohl schwer zu vermitteln. Noch etwas Trivia: Dana sollte zuerst gar nicht auftauchen. Die alleinstehende Mutter hieß Lane. Wer mitreden will, kann dieses frühe Drehbuch – und auch das finale – hier herunterladen.
Bei all den harschen Worten sei abschließend gesagt, dass der Film tatsächlich nicht schlecht ist. Viel stimmt: Das Drehbuch ist witzig, die Effekte sehen heute noch gut aus. Die Musikstücke mögen Geschmackssache sein, aber Randy Edelmans Score unterstreicht die Inhalte des Films so angemessen wie Elmer Bernsteins Musik die des Vorgängers. Bösewicht Vigo hat Kinder damals in Angst und Schrecken versetzt und hat heute einen Ehrenplatz auf jeder Nerdbörse. Der Spuk aus dem Bild, das brodelnde Unheil unter der Erde, in den verlassenen Schächten New Yorks, ist schaurig-spannendes (Kinder-)Kino – Ich hoffe, ich werde mich immer an meine Gefühle und Empfindungen erinnern, die diese Szenen damals im Kino in mir verursacht haben. Diese Atmosphäre, ja, die Ghostbusters. Schnell ist man am Schwelgen, und am Ende des Tages ist ein Film, der die Kindheit in sich konserviert und auf Abruf zurückbringen kann ja nicht weniger wert als ein Film, der aus sich selbst heraus gut ist: Beide haben ihre Berechtigung.
Hallo,
stimmt es eigentlich, dass in der Kinoversion in der letzten Szene, Slimer um den Kopf, der wieder errichteten Freiheitsstatue,fliegt?
Habe mal so etwas gehört, konnte aber nirgends eine entsprechende Szene finden.
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Nein, das ist nur eine Legende.
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