„Ain’t no bitches gonna hunt no ghosts!“
Die unsägliche Internet-Gender-Kontroverse wollen wir hier außen vor lassen, der Film kommentiert sie selbst kurz und bündig, gewitzt als „Movieverse“-Interna, und jene, die sich einfach nur freuen wollten und die man sich nicht freuen ließ, waren entzückt. Großes Plus: Statt als feministische Propaganda mit Pauken und Trompeten zu kommen, gibt’s nur ein paar einzelne Gags in dieser Richtung, und dadurch wird der Film ein viel stärkeres Statement: Die Frauen sind normale Alltags-Irre, es ist ein erstaunlich untersexualisiertes Quartett, in einer Geschichte, in der die Hauptdarsteller*innen zufällig und einfach so Frauen sind, es spielt keine Rolle für die Geschichte. So etwas gab’s noch nie; auch im Zeitalter der oftmals bemühten „starken Frauen“ in Hollywood-Mainstream mussten diese zumindest als Gegenleistung Eye Candy fürs Hartgeld bieten. Der Riese Marvel drängt sich als offensichtlichstes Beispiel auf. „Ghostbusters“ ist dafür schonmal eine Sensation, unabhängig davon, was man vom Rest des Films halten mag.
Nachdem Paul Feig zu dem Projekt stieß, gab es außerdem Sorgen um den eher trockenen Situationshumor – Feig ließ sich zuvor schon gern auch unter der Gürtellinie aus. Die Reaktionen auf den Schleim kotzenden Geist im Trailer waren dann entsprechend völlig überzogen, da schleimte einfach nur ein Geist herum… Dieser Moment brachte den ganzen Mißstand auf den Punkt: Es wurde in Reinkultur das wiedergegeben, das die Originale groß gemacht hatte, und es wurde abgelehnt. Kurios! Tatsächlich gibt es auch genau drei Witze an der Zahl im Film, die nicht hätten sein müssen. Bei einer Laufzeit von rund zwei Stunden ist das aber verschwindend gering, im Grunde ist der Film noch bedeutend harmloser als das Original, in dem fast alle Charaktere ständig rauchen, in dem es einen geisterhaften Blow Job gibt und überhaupt, „Dieser Mann hat keinen Schwanz!“
Hatten „Ghostbusters – Die Geisterjäger“ und „Ghostbusters II“ noch den Irrsinn der Menschheit als unterschwelliges Thema, geht es hier um Freundschaft. Abby (McCarthy) und Erin (Wiig) hatten sich im Kindesalter über ihre Nerdigkeit als Außenseiter gefunden, sie verband dann ein großes Miteinander, bis es eines Tages zum Bruch kam – damit kann sich jeder identifizieren. Der Film handelt im Grunde nur davon, wie die Freundinnen einander wiederfinden, mit fast so pathetischer wie aber auch poetischer Großartigkeit auf die Spitze getrieben in der malerischen, finalen Portals-Szene. Wie immer bei „Ghostbusters“ steht der ganze übernatürliche Kokolores nur als Sinnbild für die Hürden, die es zu nehmen gilt, das gegenseitig geschätzte Miteinander gewinnt erst durch die Krise an Wert und wird zu einer tatsächlichen Freundschaft.
Die beiden anderen Hauptfiguren, Holtzmann und Patty, sind Begleitcharaktere, doch keinesfalls verzichtbar. McKinnon ist als Holtzmann ein queerer Animated-Egon / Doc Brown-Hybrid, zu schräg, um anderswo akzeptiert zu werden als in Abbys Team der Außgestoßenen. Leslie Jones ist als die tüchtige U-Bahn-Arbeiterin Avatar für uns alle, ein kleines Rädchen in der großen Maschinerie, dem die Achtung versagt bleibt. Feig adaptiert nicht nur das „Underdog“-Motiv des Originals, sondern feiert es, indem die Ghostbusters hier bis zum Ende klein gehalten und ständig gedemütigt werden, trotzdem weitermachen, bis sie erst ganz am Ende die Bestätigung erhalten, die Ivan Reitman dem Ur-Team schon nach einer halben Stunde zugestand.
Böseschuft Rowan ist die dunkle Seite derselben Medaille. Die Figur wurde oftmals als zu blass und unausgegoren kritisiert, aber mehr als das Gebotene hat sie gar nicht nötig, denn Rowan dient eigentlich nur als Gegenbeispiel. Wie die Ghostbusters ist er immer Außenseiter gewesen, hat sich aber damit begnügt und Andere dafür verantwortlich gemacht. Der kurze Dialog im Keller bringt es auf den Punkt. Rowan: „Euch wurde wohl die Anerkennung gegeben, die mir verwehrt wurde!“ Darauf Abby: „Eigentlich trampelt man ständig auf uns herum.“ Das Leben hackt auf uns allen herum, wir alle haben unsere (Protonen-)Päckchen zu tragen. Den Unterschied macht man selbst. Mit diesem kurzen, plakativ inszenierten Austausch ist Rowan mehr als die Bösewichter Gozer oder Vigo, die einfach nur fies waren. Er erinnert mehr an eine ausführlicher portraitierte Interpretation von Ivo Shandor, den in einer Fußnote im Originalfilm erwähnten Architekten des Gozer-Hochhauses, der die Meinung vertrat, die Menschheit sei „zu krank zum Überleben“.
Der Humor ist deutlich von Feigs Handschrift geprägt. Das ist nicht unbedingt schlecht, empfahl sich der Regisseur mit seinem „Bridesmaids“ schon vor fünf Jahren als potenzieller „Ghostbusters 3“-Kandidat. Der Großteil des Humors ergibt sich über die Dialoge, auch wenn es Slapstick gibt, und manchmal verwehren sich die Impro-Talente am Set den Pointen des Skriptes und quasseln einfach weiter. Vor allem in englischem O-Ton ist das großartig. Die deutsche Synchronisation ist mit Kathrin Fröhlich (Wiig), Anke Reizenstein (McCarthy), Tanya Kahana (McKinnon) und Peggy Sander (als Jones, sie war übrigens damals auch die Stimme von „Extreme Ghostbusters“ Kylie) hochkarätig besetzt, fällt aber gegenüber der US-Tonspur weiiiit ab – Oftmals hat man das Gefühl, im Synchronstudio wusste wieder mal niemand, um was es eigentlich geht. Dass Mit-Synchronbuchautor Oliver Kalkofe als Ersatz für Arne Elsholtz auf Bill Murray besetzt wurde, ist nicht hilfreich.
Btw, die Originaldarsteller: Bis auf Ramis, der als Büste gewürdigt wird, sind fast alle hier und da anwesend. Hervorzuheben sind dabei die kurzen Auftritte von Annie Potts und vor allem der von Dan Aykroyd, der einem das kurze Wohlgefühl gibt, als sei der gealterte Ray Stantz durch irgendein interdimensionales Tor gekommen, um hier undercover zu observieren. Die anderen „Oldies“ sind leider verschwendet. Murrays Cameo ist am längsten, aber kaum lustig. Ernie Hudson und Sigourney Weaver haben überhaupt nichts beizutragen, außer, dass sie da sind – Als hätte der Film ihre Anwesenheit als „Wohlwollen“ nötig. Das hat er nämlich nicht: Die neuen Ghostbusters sind keine Kopien oder Abwandlungen der alten Figuren, sondern ganz eigene Charaktere, aber mit derselben, gemeinsamen Chemie, die auch die Jungs damals hatten. Es sind echte Menschen, mit denen man sich identifizieren kann, weil man sich in ihnen wiedererkennt, und deren Spaß miteinander sich auf den Zuschauer überträgt. Am Ende hat man die alte Garde um Venkman und Co. nicht verloren, sondern man hat neue Freunde dazugewonnen.
Auch optisch spielt der Film in der oberen Liga. Mir lag für diese Rezension nur die 2D-Fassung vor, doch sogar für die wurde der witzige Gag, die Effekte oben und unten über die schwarzen Balken hinwegsuppen zu lassen, übernommen. Das 3D im Kino gehörte zum Besten, was dreidimensionales Kino seit „Avatar“ zu bieten hatte, und bereicherte den Film tatsächlich – dies angemerkt von einem ausgesprochenen 3D-Kritiker. Ich hoffe, das wurde so für die 3D-Heimkinofassung übernommen.
Die knallebunten Geister entsprechen einer natürlichen Evolution der alten 80er-Jahre-Ungeheuer, die ja für sich widerum seinerzeit buntes Panoptikum waren. Feig bestand wie damals auf praktische Effekte (die Geister waren echte Menschen in Kostümen) und ließ nur ein wenig digital verbessern. Dadurch könnte eine Gertrude Aldridge, das Reboot-Gegenstück zur Bibliothekarin im Original, problemlos durch den 1984-Film flirren, ohne großartig aufzufallen.
Dass Rowan als gigantisch herangewachsenes GB-Logo zu wüten beginnt, ist ironischerweise auch ein (unfreiwilliger) Kommentar auf das Beben, das Feig durchmachen musste, als er sich auf den GB-Kosmos einließ. Nach dem Tod von Ramis und dem Desinteresse von Murray und Regisseur Ivan Reitman, mit der Aussicht auf einen Teil 3 nur mit Aykroyd und Ernie Hudson und einer Reihe Newbies wäre die Alternative zu einem Reboot eine Fortsetzung gewesen, die unmöglich an das schwere Erbe hätte anknüpfen können, vor allem auch, weil sie inhaltlich daran anschließen würde, Teil derselben Geschichte wäre. In Form einer Neuverfilmung wie dieser aber kann der Film für sich selbst stehen, sich so von der immensen Last befreien und eher vergnügt all das zitieren, das wir von früher mochten: Knochentrockener Wortwitz, ein brillant eingespieltes Team, absurde Effektsprache und ein klein wenig Gesellschaftssatire, die so „mitschwingt“. Die von vielen herbeigesehnte Staffelübergabe findet über die Cameos zumindest auf der Metaebene statt: Was dem inneren Kind zu wenig, wird der erwachsen gewordene Zuschauer schmunzelnd anerkennen.
„Ghostbusters 2016“ ist vielleicht der denkbar beste Film, der am Ende hätte entstehen können. Einiges bleibt im Argen (Kevin), einige verschwendete Gelegenheiten gibt es. Man muss und sollte seine Ansprüche nicht herunterschrauben, um diesen Film so gut zu finden wie seinen Urvater. Es reicht, sich bewusst zu machen, dass Kino in seiner Gänze und mit all seinen einzelnen Facetten ein fast schon anderes Medium ist, als es das vor 30 Jahren war. Hält man sich dies vor Augen, stellt man fest, mit wie viel Herzblut und Respekt hier das Erbe der, und auch diese Einsicht gehört dazu, Handelsmarke „Ghostbusters“, gewürdigt wird.
Wer die unglaubliche Teil 3-Gerüchteküche von den ältesten Gedankenspielen 1989 bis hin in die jüngste Vergangenheit verfolgen will: Unsere Ghostbusters 3-Chronik!