Ein Film wie guter Wein: Je älter, um so besser

„In einigen Jahren werden wir diesen Film als etwas betrachten, das eine ganze Generation geprägt hat“

d299d5bccfa3cb8075623836fae45044So die Prognose eines US-Filmmagazins im Sommer 1984 – und hier sitzen wir, über 3 Jahrzehnte später.

„Ghostbusters – Die Geisterjäger“, wie der Film mit vollem deutschen Titel offiziell heißt, ist in einem kleinen Artikel kaum zu fassen. Grund: Während die Fortsetzung von 1989 und die Neuverfilmung aus dem Jahre 2016 trotz vieler Stärken lediglich clever zusammengestellte Entertainment-Pakete sind, ist dies Original tatsächlich ein cineastisches Meisterwerk, ein rundes Erlebnis. Während Fortsetzung und Reboot ganz bewusst als Produkte angelegt waren, die eine Marke festigen sollen (was nicht zwangsläufig ein Manko sein muss, in beiden Fällen aber spürbar war), entstand „Ghostbusters“ einfach nur aus dem Bestreben heraus, einen großen Hollywood-Film zu stemmen, der lediglich sich selbst vermarkten musste. Keiner machte sich Gedanken über Fortsetzungen, Spielzeug-Abverkäufe – Im Vergleich zu den heutigen Blockbustern um DC und Marvel, die alle genormt sind, gleich aussehen, klingen, niemandem weh tun und direkt wieder vergessen sind, entstanden in den 1980er Jahren noch anarchische Meilensteine: Die Studios ließen gewähren, das „New Hollywood“ der 1970er wirkte noch nach.

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Trivia: Dieser Spot lief damals im US-Fernsehen. Rief man an, begrüßten einen Murray und Aykroyd vom Band.

Dass so viele von uns sich noch an das Kino der 80er Jahre erinnern, wohingegen das Groß der Filme seit der Jahrtausendwende zu einem undefinierbaren Erinnerungs-Einheitsbrei verkommt, kann auch, aber nicht nur mit Sentimentalität begründet werden. Damals kamen einige entscheidende Faktoren zusammen: CGI gab es noch nicht, aber praktische Effekte waren damals auf ihrem evolutionären Höhepunkt. Jedoch so sehr teuer, dass nur die talentiertesten Regisseure (sprich: Geschichtenerzähler) große Budgets zugestanden bekamen, noch dazu oft mit künstlerischer Freiheit gesegnet. So entstanden Filme wie E.T. – Der Außerirdische, Gremlins, American Werewolf, Indiana Jones, Zurück in die Zukunft oder die Krieg der Sterne-Trilogie. Heute sind computergeneriete Tricks so günstig wie nie, so dass jede Produktion sie sich leisten kann – egal wie talentiert die Kreativen dahinter sind. Die Zeit großer Regisseure wie Steven Spielberg, Francis Ford Coppola oder Martin Scorsese ist vorbei, Filmemacher wie Christopher Nolan bleiben Ausnahmen. Oft arbeiten heute gefällige Studio-Sklaven, die Auftragsarbeit verrichten. Dem jungen Publikum ist das egal, man kennt es nicht anders – Die Entwicklung begann schleichend bereits in den 1990er Jahren, Hollywood ist seitdem kontinuierlich genormter, inhalts- und belangloser geworden: Technisch schön, aber keine Kunst mehr.

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Noch mit animatronischen Lockenwicklern erstellt

„Ghostbusters 1984“ ist Kunst – so dämlich sich das auch anhört, natürlich rümpft das Feuilleton die Nase in Anbetracht einer solchen Behauptung. Doch eigentlich ist das alles rund. Die Darsteller: Bill Murray, Dan Aykroyd und Harold Ramis, allesamt frisch aus der US-Komödianten-Institution „Saturday Night Live“, haben eine gemeinsame, freundschaftliche Chemie wie man sie seit den Marx Brothers nicht mehr gesehen hat. Der Gewitzte, der Beherzte, der etwas Seltsame, allesamt von der Gesellschaft Verstoßene, die sich nicht unterkriegen lassen und es am Ende des Tages zu etwas bringen. Eine Gruppe von nicht mal besonders attraktiven Normalos mit dem Herzen am rechten Fleck – Das ist allemal sympathischer, bietet mehr Identifikationspotential als all die krampfhaft coolen Schablonen, Deadpools, Star Lords, wie sie alle heißen. Niemand von uns würde solche arroganten Arschlöcher im echten Leben wirklich gern um sich haben.

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Faustregel: Die besten Komödien sind jene, die auch ohne Komödie noch funktionieren.

Die Präsentation. Regisseur Ivan Reitman hat seine Komödie ausschließlich mit A-Liga besetzt: Kameramann László Kovács („Easy Rider„) filmte mit ruhiger Hand, so dass der Fokus auf dem humoristischen Spiel der Darsteller blieb. Er verwendete die Farbe Lila, die der Zuschauer als unnatürlich empfindet, um auf das Eindringen des Paranormalen zu verweisen (situationsbedingt mal mehr, mal weniger: Während der ganze Film in einem leichten Lila-Filter daherkommt, sind Bibilotheks-Geist und Gozer-Laserstrahlen offensiv). Stets bevor einer Figur etwas Schlimmes zustößt, ist das Gesicht in frontaler Nahaufnahme portraitiert. Kovács Arbeit ist ein geschlossenes Regelwerk das einem erst mit der Zeit bewusst wird, aber natürlich arbeiten diese Mechanismen, Kameraarbeit, Schnitt, unterbewusst von Beginn an.

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Sowohl Ausstatter John de Cuir als auch Komponist Elmer Bernstein kamen aus Hollywoods goldenem Zeitalter. De Cuir hatte schon für „Cleopatra“ mit Liz Taylor das Bühnenbild beigesteuert, Bernstein zeichnete für Klassiker wie „Die glorreichen Sieben“ verantwortlich. Während der eine „Ghostbusters“ mit rustikalen, eleganten Hotelflüren, verlassenen Büchereigängen, zahlreichen Gargoyles, einem pompösen Sumerer-Tempel ausstattete – alles irgendwie braun, sepia, alt. Gespenstisch, aber gerade nur so, im Ansatz mitschwingend. …komponierte der andere einen pompösen Filmscore, der die alltäglichen Witzeleien pointiert untermalt und die theatralischen Untergangs-Szenarien tragend begleitet. Diese beiden Dinge; Bühnenbild und Musik, tragen maßgeblich dazu bei, dass „Ghostbusters“ heute mehr denn je wie ein Juwel aus einer besseren Zeit wirkt, die eigentlich schon 1984 längst Geschichte war. Gleichzeitig haftet dem Film aber auch etwas Zeitloses anheim, losgelöst von den 80er Jahren, von denen sich Kollegen wie „E.T.“ oder „Zurück in die Zukunft“ zum Beispiel nicht freisprechen können. Die Spezialeffekte verraten die Entstehungszeit wohl noch am ehesten, wobei man auch hier wohlwollend anerkennen muss, dass Richard Edlund („Krieg der Sterne„) und seine Firma Boss Films im Kontext der damaligen Zeit auf erstaunlichem Niveau gearbeitet haben. Selbst heute, über 3 Jahrzehnte später, sehen viele der Effekte (Slimer und Marshmallow-Mann z.B.) immer noch großartig aus. Anderen, wie den Terrorhunden, bleibt zumindest ein rustikaler Charme.

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Nur Mittel zum Gag: Nicht lizensierter Kokolores irgendwo im Hintergrund

Interessanterweise spielen Fan-Favorites wie die gern nachgebauten Protonenpacks (ein Begriff, den es hier noch gar nicht gab und der erst durch die Serie „The Real Ghostbusters“ aufkam, noch hieß es „Positron Collider“) und andere Gimmicks wie das P.K.E.-Gerät überhaupt keine Rolle: Sie sind einfach da und verstehen sich nicht cooles High Tech, sondern als zusammengebastelter Schrott, als Ausdruck für den tollkühnen Irrsinn der Geisterjäger. Sie dienen als kurzer Witz und funktionieren so optimal. Die Art, wie Paul Feig in seiner Neuverfilmung die Evolution der Strahler zeichnet, ist zwar Fan-Service. Für die Handlung, die Erzählung, ist es aber völlig irrelevant. Ghostbusters“ dreht sich um andere Dinge: Um die Probleme, die wir uns selbst bereiten (Die Geister als Ausdruck menschlicher Unvernunft, und tatsächlich: Alle Probleme im Film sind menschgemacht, achtet mal darauf), auf den Punkt gebracht durch, z.B. den übereifrigen Beamten Peck („Pek“ übrigens ist das sumerische Wort für Hund!), oder in der Fortsetzung durch Metaphern wie dem Schleimfluss, der nicht aus sich selbst heraus, sondern nur aus der Schlechtigkeit der Menschen entstehen konnte. Wie Ivo Shandor zitiert wird: „Die Menschheit ist zu krank zum Überleben“ – Er, der den Gozer-Kult initiierte, erkennt ein Problem, resigniert dann aber und wird so selbst zum Problem. Die Geisterjäger dienen als Gegenentwurf, als Ermutigung: Ganz gewöhnliche Typen, die etwas bewegen. Im Gegensatz zum Archetyp des Superhelden könnten wir das alle sein, weshalb „Ghostbusters“-Cosplayer meist eher ihre eigenen Namen auf die Uniformen schneidern als die der Filmfiguren. Bill Murray erzählte 2005 im Rolling Stone Magazin:

ZYPqErwmrWAjtTeObIMZY_L46-A„Wir haben damals als ‚Ghostbusters‘ ja vielen Kindern Angst gemacht. Es ist irgendwie beängstigend, an Dinge zu denken, über die man keine Kontrolle hat, und daß man einen Partikelwerfer auf dem Rücken tragen muß. Ich fand eines immer tröstlich an dem Film, wenn wir mal ein wenig in die Vergangenheit abschweifen können: Die Aussage nämlich, daß das größte Problem manchmal nur darin besteht, sich seinen Problemen zu stellen. Wenn man ihnen schließlich gegenübertritt, dann ist man plötzlich wieder Mensch und kein isolierter Clown mehr. Als sich also die Ghostbusters entschlossen, dem Dämon entgegenzutreten, da entpuppte er sich als Marschmallowmann. Und so geht das meistens mit Problemen, wenn man sich ihnen stellt.“

All die Dinge, die die Qualität des Films ausmachen, könnten bis ins Ausführlichste einzeln beleutet werden. Hardcore-Fans sollten beispielsweise diesen wundervollen Artikel studieren – Neben Pflichtlektüre wie der Fan-Bibel „Making Ghostbusters“ oder „Ghostbusters: The Visual History“ ist er sicher das empfehlenswerteste Werk zum Film, noch dazu kostenlos. Wir selbst haben hier bei GBD in zahlreichen Artikeln verschiedene Aspekte des Films untersucht, da ging es um philosophische und religiöse Fragen und Interpretationen, über den Einfluss H.P. Lovecrafts oder warum auch dieser Originalfilm – somit das ganze Franchise von Beginn an – schon ein feministisches Manifest war. Alles Feststellungen, die zu unserem abschließenden Prädikaten „Klassiker“, „Meisterwerk“, vor allen Dingen aber „Bestes Ghostbusters“ beitragen.

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„..und ich sag dir, in 35 Jahren läuft jeder so herum!“

Der in den letzten Jahren stattgefundene, massive Wandel der Fanszene hinweg von einer, sagen wir etwas überzeichnet, „Buchclub“-Gemeinschaft (die sich in Foren wie real in kleinen Kreisen traf, um – nicht ohne Actionfiguren im Regal – genau diese Dinge zu diskutieren) hin zu einer opulenten Cosplay-Bewegung ist einerseits irritierend, da der narzisstische Kostümschaulauf den kongenialen Inhalten des Films gar nicht gerecht werden kann, das Fandom sich aber zunehmend darauf reduziert. Andererseits erleben wir dies als Chance: Noch einmal spielt die ganze Welt Geisterjäger, so wie früher, so wie in der Kindheit. Es ist ein Wunder.

Ein Gedanke zu “Ein Film wie guter Wein: Je älter, um so besser

  1. Hallo Mein Name ist Sascha Franke und habe folgende Frage können sie mir bitte die genaue Maßen und Bauanleitung vom Proton Pack inklusive Falle zu senden oder mir eventuell weiter helfen wo ich das finden kann möchte das Proton Pack inklusive Falle in original nach bauen ohne ein Unterschied zu sehen würde mich über eure Hilfe sehr Freuen mit Freundlichen Grüßen s.franke

    Meine Mail Adresse
    sascha41j@web.de
    Danke noch Mal

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